INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Empfehlung 128

Empfehlung betreffend die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über die höchstzulässige Traglast, 1967, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1967, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die höchstzulässige Traglast, 1967, bezeichnet wird.

I. Begriffsbestimmung und Geltungsbereich

1. Im Sinne dieser Empfehlung bedeutet

a) der Ausdruck "Beförderung von Traglasten" jede Beförderung, bei der das Gewicht der Last vollständig von einem Arbeitnehmer getragen wird; er umfaßt auch das Heben und Absetzen der Last;

b) der Ausdruck "regelmäßige Beförderung von Traglasten" jede Tätigkeit, die dauernd oder hauptsächlich der Beförderung von Traglasten gewidmet ist oder in der Regel, wenn auch mit Unterbrechungen, die Beförderung von Traglasten einschließt;

c) der Ausdruck "jugendlicher Arbeitnehmer" einen Arbeitnehmer unter 18 Jahren.

2. Unter Vorbehalt anderslautender Bestimmungen gilt diese Empfehlung für die regelmäßige und die gelegentliche Beförderung von anderen als leichten Traglasten.

3. Diese Empfehlung gilt für alle Wirtschaftszweige.

II. Allgemeiner Grundsatz

4. Die Beförderung von Traglasten, deren Gewicht die Gesundheit oder die Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden könnte, sollte weder verlangt noch zugelassen werden.

III. Ausbildung und Anleitung

5. (1) Jeder Arbeitnehmer, der bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten eingesetzt wird, sollte vorher zum Schutze seiner Gesundheit und zur Verhütung von Unfällen eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den anzuwendenden Arbeitsmethoden erhalten.

(2) Diese Ausbildung oder Anleitung sollte die Methoden des Hebens, Tragens, Absetzens, Abladens und Stapelns der verschiedenen Arten von Lasten umfassen und von Personen oder Einrichtungen mit der erforderlichen Sachkenntnis vermittelt werden.

(3) Dieser Ausbildung oder Anleitung sollte, soweit durchführbar, eine Überwachung bei der Arbeit folgen, um dafür zu sorgen, daß die richtigen Methoden angewendet werden.

6. Jeder Arbeitnehmer, der gelegentlich bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt wird, sollte eine angemessene Anleitung in den Methoden erhalten, die die gefahrlose Ausführung solcher Arbeiten gewährleisten.

IV. Ärztliche Untersuchungen

7. Eine ärztliche Untersuchung im Hinblick auf die Eignung zur Beschäftigung sollte vor dem Einsatz bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten gefordert werden, soweit dies durchführbar und angebracht ist.

8. Von Zeit zu Zeit sollten je nach Notwendigkeit ärztliche Nachuntersuchungen vorgenommen werden.

9. Die zuständige Stelle sollte Regelungen hinsichtlich der in den Absätzen 7 und 8 dieser Empfehlung vorgesehenen Untersuchungen erlassen.

10. Über die in Absatz 7 dieser Empfehlung vorgesehene Untersuchung sollte eine Bescheinigung ausgestellt werden. Diese Bescheinigung sollte sich nur auf die Eignung zur Beschäftigung beziehen, aber keine ärztlichen Angaben enthalten.

V. Technische Vorrichtungen und Verpackungen

11. Um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern, sollten, soweit irgend möglich, geeignete technische Vorrichtungen verwendet werden.

12. Die Verpackungen von Lasten, die gegebenenfalls als Traglasten befördert werden können, sollten nicht sperrig und aus geeigneten Materialien hergestellt sein; sie sollten, soweit möglich und angebracht, mit Vorrichtungen zum Anfassen versehen und so beschaffen sein, daß sie keine Unfallgefahr bilden; zum Beispiel sollten sie keine scharfen Kanten, hervorstehenden Teile oder rauhen Oberflächen aufweisen.

VI. Höchstzulässige Traglast

13. Bei der Durchführung dieses Abschnitts der Empfehlung sollten die Mitglieder folgendes berücksichtigen:

a) die physiologischen Besonderheiten der Arbeitnehmer, die Umweltbedingungen und die Art der zu verrichtenden Arbeit,

b) sonstige Umstände, die sich auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer auswirken können.

A. Erwachsene männliche Arbeitnehmer

14. Beträgt das höchstzulässige Gewicht der Traglast für einen erwachsenen männlichen Arbeitnehmer mehr als 55 kg, so sollten so rasch wie möglich Maßnahmen getroffen werden, um es auf 55 kg herabzusetzen.

B. Arbeitnehmerinnen

15. Werden erwachsene Arbeitnehmerinnen bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollte das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger sein als das für erwachsene männliche Arbeitnehmer.

16. Erwachsene Arbeitnehmerinnen sollten, soweit irgend möglich, nicht bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten eingesetzt werden.

17. Werden erwachsene Arbeitnehmerinnen bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollten Vorkehrungen getroffen werden, um

a) in geeigneten Fällen die Zeit zu verringern, während der sie tatsächlich Lasten heben, tragen und absetzen;

b) ihren Einsatz bei bestimmten genau bezeichneten und besonders beschwerlichen Arbeiten bei der Beförderung von Traglasten zu verbieten.

18. Keine Frau sollte während einer ärztlich festgestellten Schwangerschaft oder während der ersten zehn Wochen nach der Niederkunft bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt werden, wenn diese Arbeit nach Ansicht eines berufenen Arztes geeignet ist, ihre Gesundheit oder diejenige ihres Kindes zu gefährden.

C. Jugendliche Arbeitnehmer

19. Werden jugendliche Arbeitnehmer bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollte das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger sein als das für erwachsene Arbeitnehmer desselben Geschlechts.

20. Jugendliche Arbeitnehmer sollten, soweit irgend möglich, nicht bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten eingesetzt werden.

21. Beträgt das Mindestalter für den Einsatz bei der Beförderung von Traglasten weniger als 16 Jahre, so sollten so rasch wie möglich Maßnahmen getroffen werden, um dieses Alter auf 16 Jahre zu erhöhen.

22. Das Mindestalter für den Einsatz bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten sollte erhöht werden, mit dem Ziel, ein Mindestalter von 18 Jahren zu erreichen.

23. Werden jugendliche Arbeitnehmer bei der regelmäßigen Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollten Vorkehrungen getroffen werden, um

a) in geeigneten Fällen die Zeit zu verringern, während der sie tatsächlich Lasten heben, tragen und absetzen;

b) ihren Einsatz bei bestimmten genau bezeichneten und besonders beschwerlichen Arbeiten bei der Beförderung von Traglasten zu verbieten.

VII. Sonstige Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit

24. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens und unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen, unter denen die Arbeit ausgeführt werden muß, sollte die zuständige Stelle nach besten Kräften dafür sorgen, daß die Anstrengung, die im Laufe eines Arbeitstages oder einer Schicht von den bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmern verlangt wird, ihre Gesundheit oder Sicherheit nicht gefährden kann.

25. Den bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmern sollten alle geeigneten Vorrichtungen und Ausrüstungen, die zum Schutz ihrer Gesundheit und Sicherheit erforderlich sind, übergeben oder zur Verfügung gestellt und von den Arbeitnehmern verwendet werden.

VIII. Allgemeine Bestimmungen

26. Die Ausbildung oder Anleitung und die ärztlichen Untersuchungen, die in dieser Empfehlung vorgesehen sind, sollten dem Arbeitnehmer keine Kosten verursachen.

27. Die zuständige Stelle sollte die wissenschaftliche Forschung, einschließlich ergonomischer Studien, auf dem Gebiet der Beförderung von Traglasten tatkräftig fördern, insbesondere um

a) die möglichen Zusammenhänge zwischen berufsbedingten Krankheiten und Störungen und der Beförderung von Traglasten zu ermitteln;

b) die Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmer auf ein Mindestmaß herabzusetzen.

28. Bildet das Ziehen oder Schieben von Lasten die vorherrschende Beförderungsmethode, die vom Arbeitnehmer eine ähnliche Anstrengung erfordert wie die Beförderung von Traglasten, so kann die zuständige Stelle die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen dieser Empfehlung auf diese Beförderungsmethode in Betracht ziehen.

29. Jedes Mitglied sollte im Wege der Gesetzgebung oder mittels anderer, den innerstaatlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen entsprechender Methoden und in Beratung mit den maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden die zur Durchführung der Bestimmungen dieser Empfehlung erforderlichen Maßnahmen treffen.

30. Die Mitglieder können nach Anhörung des innerstaatlichen Aufsichtsdienstes und der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände Ausnahmen von der Anwendung einzelner Bestimmungen dieser Empfehlung zulassen, wenn solche Ausnahmen im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen oder die Art der Lasten erforderlich sind; die Grenzen der Abweichung sollten für jede Ausnahme oder Gruppe von Ausnahmen angegeben werden.

31. Jedes Mitglied sollte entsprechend seinen innerstaatlichen Gepflogenheiten die Person oder die Personen bezeichnen, die für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Empfehlung zu sorgen haben, sowie die Stelle, die die Durchführung dieser Bestimmungen zu überwachen hat.