INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Empfehlung 81

Empfehlung betreffend die Arbeitsaufsicht

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 19. Juni 1947 zu ihrer dreißigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung der Empfehlung betreffend die Arbeitsaufsicht, 1923, und des Übereinkommens über die Arbeitsaufsicht, 1947, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 11. Juli 1947, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Arbeitsaufsicht, 1947, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, daß die Empfehlung betreffend die Arbeitsaufsicht, 1923, und das Übereinkommen über die Arbeitsaufsicht, 1947, die Schaffung von Systemen der Arbeitsaufsicht vorsehen und daß die Ergänzung der dort enthaltenen Bestimmungen durch weitere Empfehlungen erwünscht erscheint.

Die Konferenz empfiehlt demgemäß den Mitgliedern, die folgenden Bestimmungen anzuwenden, sobald die einzelstaatlichen Voraussetzungen es gestatten, und dem Internationalen Arbeitsamt in der vom Verwaltungsrat festzusetzenden Weise über die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Maßnahmen zu berichten.

I. Vorbeugende Aufgaben der Arbeitsaufsicht

1. Wer beabsichtigt, einen Gewerbe- oder Handelsbetrieb zu eröffnen oder zu übernehmen oder in einem solchen Betrieb eine Tätigkeit auszuüben, die nach Entscheidung der zuständigen Stelle weitgehend unter die gesetzlichen Vorschriften fällt, mit deren Durchführung die Aufsichtsbeamten betraut sind, sollte verpflichtet sein, vorher die zuständige Dienststelle der Arbeitsaufsicht unmittelbar oder durch Vermittlung einer anderen bezeichneten Behörde zu verständigen.

2. Die Mitglieder sollten Maßnahmen treffen, nach denen die Pläne neuer Betriebe, Anlagen oder Herstellungsverfahren der zuständigen Dienststelle der Arbeitsaufsicht zur Stellungnahme darüber vorgelegt werden können, ob diese Pläne die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer erschweren oder unmöglich machen oder ob sie eine Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer bilden.

3. Vorbehaltlich eines allenfalls vorgesehenen gesetzlichen Berufungsrechtes sollte die Ausführung aller von der innerstaatlichen Gesetzgebung als gefährlich oder gesundheitsschädlich erachteten Pläne neuer Betriebe, Anlagen oder Herstellungsverfahren von der Vornahme aller durch die Dienststelle der Arbeitsaufsicht zur Gewährleistung der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer angeordneten Abänderungen abhängig gemacht werden.

II. Zusammenarbeit der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf dem Gebiet des Gesundheits- und Unfallschutzes

4. (1) Vorkehrungen zur Zusammenarbeit der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zwecks Verbesserung der die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer betreffenden Bedingungen sollten gefördert werden.

(2) Diese Vorkehrungen können darin bestehen, daß in jedem Betrieb oder Unternehmen Sicherheitsausschüsse oder ähnliche Organe bestellt werden, denen Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehören.

5. Vertreter der Arbeitnehmer und der Leitung sowie vor allem die Mitglieder von Sicherheitsausschüssen oder ähnlichen Organen, soweit solche Ausschüsse oder Organe bestehen, sollten befugt sein, mit den Aufsichtsbeamten bei Erhebungen und insbesondere bei Untersuchungen über Betriebsunfälle und Berufskrankheiten unmittelbar in den Grenzen und nach den Verfahren zusammenzuarbeiten, welche die zuständige Stelle bestimmt.

6. Die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbeamten und den Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sollte durch die Veranstaltung von Tagungen oder durch die Schaffung gemischter Ausschüsse oder ähnlicher Organe erleichtert werden, in denen Vertreter der Arbeitsaufsicht mit den Vertretern der Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Durchführung der Arbeitsgesetzgebung und die Fragen, welche die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer betreffen, besprechen können.

7. Es sollten geeignete Vorkehrungen getroffen werden, damit die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer über die Arbeitsgesetzgebung und über die Fragen des Gesundheits- und Unfallschutzes im Gewerbe unterwiesen und beraten werden durch Mittel wie

a) Vorträge, Radiosendungen, Anschläge, Broschüren und Filme zur zusammenfassenden Erläuterung der gesetzlichen Vorschriften und mit Anregungen von Verfahren zu ihrer Durchführung sowie von Maßnahmen zur Verhütung von Betriebsunfällen und Berufskrankheiten,

b) Ausstellungen über Gesundheits- und Unfallschutz,

c) Fachschulkurse über Gesundheits- und Unfallschutz im Gewerbe.

III. Arbeitsstreitigkeiten

8. Die Aufgaben der Aufsichtsbeamten sollten sich nicht auf die Vermittlung und schiedsrichterliche Tätigkeit bei Arbeitsstreitigkeiten erstrecken.

IV. Jahresberichte über die Arbeitsaufsicht

9. Die jährlich veröffentlichten Berichte über die Tätigkeit der Arbeitsaufsicht sollten, soweit wie möglich, eingehende Aufschlüsse folgender Art enthalten:

a) ein Verzeichnis der in den vorangehenden Berichten nicht angeführten Gesetze und Verordnungen, welche die Tätigkeit der Arbeitsaufsicht betreffen,

b) Angaben über das Personal der Arbeitsaufsicht, insbesondere über

i) die Gesamtzahl der Aufsichtsbeamten,

ii) die Zahl der Aufsichtsbeamten der verschiedenen Arten,

iii) die Zahl der weiblichen Aufsichtsbeamten,

iv) die örtliche Verteilung der Dienststellen der Arbeitsaufsicht,

c) eine Statistik der unterstellten Betriebe und der Zahl der darin Beschäftigten mit Angaben insbesondere über

i) die Zahl der unterstellten Betriebe,

ii) die Durchschnittszahl der in diesen Betrieben im Berichtsjahr Beschäftigten,

iii) die Aufgliederung der Beschäftigten nach folgenden Gesichtspunkten: Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder,

d) eine Statistik der vorgenommenen Besichtigungen mit Angaben insbesondere über

i) die Zahl der besichtigten Betriebe,

ii) die Zahl der vorgenommenen Besichtigungen, aufgegliedert nach Besichtigungen bei Tag und bei Nacht,

iii) die Zahl der in den besichtigten Betrieben Beschäftigten,

iv) die Zahl der im Berichtsjahr mehr als einmal besichtigten Betriebe,

e) eine Statistik der Übertretungen und der Zwangsmaßnahmen mit Angaben insbesondere über

i) die Zahl der den zuständigen Stellen angezeigten Übertretungen,

ii) die Aufgliederung dieser Übertretungen nach den in Frage kommenden gesetzlichen Vorschriften,

iii) die Zahl der verfügten Zwangsmaßnahmen,

iv) die Natur der von den zuständigen Stellen in den verschiedenen Fällen verfügten Zwangsmaßnahmen (Geldbußen, Freiheitsstrafen usw.),

f) eine Statistik der Betriebsunfälle mit Angaben insbesondere über die Zahl der angezeigten Betriebsunfälle und ihre Aufgliederung nach

i) Gewerben und Berufen,

ii) Ursachen,

iii) tödlichem oder nicht tödlichem Verlauf,

g) eine Statistik der Berufskrankheiten mit Angaben insbesondere über

i) die Zahl der angezeigten Fälle von Berufskrankheiten,

ii) die Aufgliederung dieser Fälle nach Gewerben und Berufen,

iii) die Aufgliederung dieser Fälle nach Ursachen oder Beschaffenheit, wie Natur der Berufskrankheit, des Giftstoffes oder des gesundheitsschädlichen Herstellungsverfahrens, denen die Krankheit zuzuschreiben ist.