INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 139

Übereinkommen über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren, 1974

Dieses Übereinkommen ist am 10. Juni 1976 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:59 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1974 zu ihrer neunundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist,

verweist auf die Bestimmungen des Übereinkommens und der Empfehlung über den Strahlenschutz, 1960, und des Übereinkommens und der Empfehlung über Benzol, 1971,

hält es für wünschenswert, internationale Normen über den Schutz gegen krebserzeugende Stoffe oder Einwirkungen aufzustellen,

berücksichtigt die einschlägige Tätigkeit anderer internationaler Organisationen, insbesondere der Weltgesundheitsorganisation und des Internationalen Krebsforschungszentrums, mit denen die Internationale Arbeitsorganisation zusammenarbeitet,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1974, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Berufskrebs, 1974, bezeichnet wird.



Artikel 1

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat regelmäßig wiederkehrend die krebserzeugenden Stoffe und Einwirkungen zu bestimmen, gegenüber denen eine berufsbedingte Exposition zu verbieten oder der Genehmigung oder Kontrolle zu unterstellen ist, sowie diejenigen, für die andere Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

2. Ausnahmen von dem Verbot dürfen nur durch Ausstellung von Einzelermächtigungen bewilligt werden, die jeweils die zu erfüllenden Auflagen angeben.

3. Bei der Bestimmung der krebserzeugenden Stoffe und Einwirkungen gemäß Absatz 1 dieses Artikels sind die neuesten Informationen, die in den gegebenenfalls vom Internationalen Arbeitsamt ausgearbeiteten Sammlungen praktischer Richtlinien oder Leitfäden enthalten sind, sowie die Informationen anderer sachkundiger Stellen zu berücksichtigen.



Artikel 2

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat sich in jeder Weise zu bemühen, krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen, denen Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit ausgesetzt sein können, durch nicht krebserzeugende oder weniger schädliche Stoffe oder Einwirkungen ersetzen zu lassen; bei der Wahl von Ersatzstoffen oder -einwirkungen sind deren krebserzeugende, giftige und sonstige Eigenschaften zu berücksichtigen.

2. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die krebserzeugenden Stoffen oder Einwirkungen ausgesetzt sind, sowie die Dauer und der Grad einer solchen Exposition sind auf das mit den Sicherheitsanforderungen zu vereinbarende Mindestmaß zu verringern.



Artikel 3

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat die Maßnahmen vorzuschreiben, die zum Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefahren einer Exposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen oder Einwirkungen zu treffen sind, und für die Einführung eines geeigneten Aufzeichnungssystems zu sorgen.



Artikel 4

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat zu veranlassen, daß Arbeitnehmer, die krebserzeugenden Stoffen oder Einwirkungen ausgesetzt waren, ausgesetzt sind oder ausgesetzt werden können, alle zur Verfügung stehenden Informationen über die damit verbundenen Gefahren und die zu treffenden Maßnahmen erhalten.



Artikel 5

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat durch Maßnahmen sicherzustellen, daß sich Arbeitnehmer während und nach ihrer Beschäftigung den ärztlichen Untersuchungen oder biologischen oder sonstigen Tests oder Untersuchungen unterziehen können, die erforderlich sind, um den Grad ihrer Exposition festzustellen und ihren Gesundheitszustand in bezug auf die Berufsgefahren zur überwachen.



Artikel 6

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert,

a) hat im Wege der Gesetzgebung oder mittels anderer, den innerstaatlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen entsprechender Methoden und in Beratung mit den maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden die zur Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens erforderlichen Maßnahmen zu treffen;

b) hat entsprechend den innerstaatlichen Gepflogenheiten die Personen oder Stellen zu bezeichnen, denen die Pflicht zur Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens obliegt;

c) hat geeignete Aufsichtsdienste mit der Überwachung der Durchführung dieses Übereinkommens zu beauftragen oder sich zu vergewissern, daß eine angemessene Aufsicht ausgeübt wird.



Artikel 7

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung zu mitzuteilen.



Artikel 8

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 9

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 10

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 11

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 12

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 13

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 9, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.





Artikel 14

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.