INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 119

Übereinkommen über den Maschinenschutz, 1963

Dieses Übereinkommen ist am 21. April 1965 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:47 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1963 zu ihrer siebenundvierzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend das Verbot des Verkaufs, der Vermietung und der Verwendung von Maschinen ohne geeignete Schutzvorrichtungen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1963, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über den Maschinenschutz, 1963, bezeichnet wird.



Teil I. Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

1. Alle neuen oder gebrauchten Maschinen, die nicht von menschlicher Kraft angetrieben werden, gelten für die Durchführung dieses Übereinkommens als Maschinen.

2. Die zuständige Stelle jedes Landes hat zu bestimmen, ob und inwieweit neue oder gebrauchte Maschinen, die von menschlicher Kraft angetrieben werden, eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer darstellen und für die Durchführung dieses Übereinkommens als Maschinen zu gelten haben. Diese Entscheidungen sind nach Anhörung der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu treffen. Die Initiative zu dieser Anhörung kann von jedem dieser Verbände ausgehen.

3. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens

a) gelten für Straßen- oder Schienenfahrzeuge während der Fahrt nur, soweit sie die Sicherheit des Fahrpersonals betreffen;

b) gelten für bewegliche landwirtschaftliche Maschinen nur, soweit sie die Sicherheit der Arbeitnehmer betreffen, deren Beschäftigung mit diesen Maschinen zusammenhängt.



Teil II. Verkauf, Vermietung, anderweitige Überlassung und Ausstellung

Artikel 2

1. Der Verkauf und die Vermietung von Maschinen, deren in den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels bezeichnete gefährliche Elemente nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen sind, sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung zu verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Maßnahmen zu verhindern.

2. Die anderweitige Überlassung und die Ausstellung von Maschinen, deren in den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels bezeichnete gefährliche Elemente nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen sind, sind in dem von der zuständigen Stelle bestimmten Umfang durch die innerstaatliche Gesetzgebung zu verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Maßnahmen zu verhindern. Die vorübergehende Entfernung der Schutzvorrichtungen, die während der Ausstellung der Maschine zu Vorführungszwecken erfolgt, gilt jedoch nicht als Verstoß gegen die vorliegende Bestimmung, sofern geeignete Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Personen gegen jede Gefahr getroffen werden.

3. Alle Stellschrauben, Bolzen und Keile und, soweit die zuständige Stelle dies vorschreibt, diejenigen anderen hervorstehenden Teile der beweglichen Maschinenelemente, die für Personen, die mit diesen Teilen, wenn sie sich in Bewegung befinden, in Berührung kommen, gleichfalls eine Gefahr darstellen können, müssen so gestaltet, versenkt angeordnet oder geschützt sein, daß diese Gefahr verhütet wird.

4. Alle Schwungräder, Zahn- und Reibradgetriebe, Nocken, Riemenscheiben und Treibriemen, Kettenräder und Ketten, Schnecken- und Kurbelgetriebe und Führungsschieber und, soweit die zuständige Stelle dies vorschreibt, diejenigen Wellen (einschließlich der Wellenenden) und anderen Übertragungsvorrichtungen, die für Personen, die mit diesen Elementen, wenn sie sich in Bewegung befinden, in Berührung kommen, gleichfalls eine Gefahr darstellen können, müssen so gestaltet oder geschützt sein, daß diese Gefahr verhütet wird. Die Bedienungselemente der Maschinen müssen so gestaltet oder geschützt sein, daß jede Gefahr verhütet wird.



Artikel 3

1. Die Bestimmungen des Artikels 2 gelten nicht für Maschinen oder deren dort bezeichnete gefährliche Elemente, die

a) infolge ihrer Bauart die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären;

b) dazu bestimmt sind, so aufgestellt oder angebracht zu werden, daß sie infolge ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären.

2. Sind Maschinen so gebaut, daß während der Wartung, des Schmierens, des Einrichtens oder des Einstellens die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 3 und 4 nicht restlos erfüllt sind, so fallen sie nicht allein aus diesem Grund unter das in Artikel 2 Absatz 1 und 2 vorgesehene Verbot des Verkaufs, der Vermietung, der anderweitigen Überlassung oder der Ausstellung, sofern jene Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen ausgeführt werden können.

3. Die Bestimmungen des Artikels 2 stehen dem Verkauf oder der anderweitigen Überlassung von Maschinen zum Zweck der Lagerung, Verschrottung oder Wiederinstandsetzung nicht entgegen, doch dürfen diese Maschinen nach ihrer Lagerung oder Wiederinstandsetzung nur dann verkauft, vermietet, auf andere Weise überlassen oder ausgestellt werden, wenn sie nach den genannten Bestimmungen geschützt sind.



Artikel 4

Die Verpflichtung zur Durchführung der in Artikel 2 vorgesehenen Bestimmungen obliegt dem Verkäufer, dem Vermieter, der Person, welche Maschinen auf andere Weise überläßt, oder dem Aussteller sowie gegebenenfalls entsprechend der innerstaatlichen Gesetzgebung den Beauftragten dieser Personen. Dieselbe Verpflichtung obliegt dem Hersteller, welcher Maschinen verkauft, vermietet, auf andere Weise überläßt oder ausstellt.



Artikel 5

1. Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Artikels 2 vorsehen. 2. Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre, gerechnet vom Inkrafttreten des Übereinkommens für das betreffende Mitglied, nicht überschreiten darf, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Maßnahmen zu bestimmen.

3. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels hat die zuständige Stelle die maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls die Verbände der Hersteller anzuhören.



Teil III. Verwendung

Artikel 6

1. Die Verwendung von Maschinen, bei denen irgendein gefährliches Element einschließlich der Arbeitselemente (Wirkungsangriff) nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen ist, ist durch die innerstaatliche Gesetzgebung zu verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Maßnahmen zu verhindern. Würde jedoch die volle Einhaltung dieses Verbotes die Verwendung der Maschine unmöglich machen, so gilt es jedenfalls insoweit, als die Verwendung der Maschine dies zuläßt.

2. Die Maschinen müssen so geschützt sein, daß die Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften und Normen für Arbeitssicherheit und Arbeitshygiene gewährleistet ist.



Artikel 7

Die Verpflichtung zur Durchführung der in Artikel 6 vorgesehenen Bestimmungen obliegt dem Arbeitgeber.



Artikel 8

1. Die Bestimmungen von Artikel 6 gelten nicht für solche Maschinen oder Maschinenelemente, die infolge ihrer Bauart, ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären.

2. Die Bestimmungen von Artikel 6 und Artikel 11 stehen der Wartung, dem Schmieren, dem Einrichten oder dem Einstellen von Maschinen oder Maschinenelementen nicht entgegen, sofern diese Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen erfolgen.



Artikel 9

1. Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Artikels 6 vorsehen.

2. Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre, gerechnet vom Inkrafttreten des Übereinkommens für das betreffende Mitglied, nicht überschreiten darf, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Maßnahmen zu bestimmen.

3. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels hat die zuständige Stelle die maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anzuhören.



Artikel 10

1. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß die Arbeitnehmer von der innerstaatlichen Gesetzgebung über den Maschinenschutz Kenntnis erhalten; er hat sie in geeigneter Weise über die Gefahren, die mit der Verwendung von Maschinen verbunden sind, sowie über die zu treffenden Vorsichtsmaßnahmen aufzuklären.

2. Der Arbeitgeber hat solche Umweltbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, daß die Arbeitnehmer, die an Maschinen beschäftigt sind, für die dieses Übereinkommen gilt, in keiner Weise gefährdet werden.



Artikel 11

1. Kein Arbeitnehmer darf eine Maschine verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäß angebracht sind; auch darf von keinem Arbeitnehmer verlangt werden, eine Maschine zu verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäß angebracht sind.

2. Kein Arbeitnehmer darf die Schutzvorrichtungen der von ihm verwendeten Maschine unwirksam machen; auch dürfen solche Schutzvorrichtungen an einer Maschine, die ein Arbeitnehmer verwenden soll, nicht unwirksam gemacht werden.



Artikel 12

Durch die Ratifikation dieses Übereinkommens werden die Rechte der Arbeitnehmer auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung in bezug auf die Soziale Sicherheit oder die Sozialversicherung nicht berührt.



Artikel 13

Die Bestimmungen dieses Teils des Übereinkommens, die sich auf die Verpflichtungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beziehen, gelten, falls und soweit die zuständige Stelle dies bestimmt, auch für selbständig Erwerbstätige.



Artikel 14

Der Ausdruck „Arbeitgeber" bezieht sich für die Durchführung dieses Teils des Übereinkommens gegebenenfalls auch auf den Beauftragten des Arbeitgebers im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung.



Teil IV. Durchführungsmaßnahmen

Artikel 15

1. Es sind alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich geeigneter Zwangsmaßnahmen zu treffen, um die wirksame Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu gewährleisten.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, geeignete Aufsichtsdienste mit der Überwachung der Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens zu beauftragen oder sich zu vergewissern, daß eine angemessene Aufsicht ausgeübt wird.



Artikel 16

Alle innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die zur Durchführung dieses Übereinkommens erlassen werden, sind von der zuständigen Stelle nach Anhörung der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls der Verbände der Hersteller auszuarbeiten.



Teil V. Geltungsbereich

Artikel 17

1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten für alle Wirtschaftszweige, sofern nicht das ratifizierende Mitglied die Durchführung des Übereinkommens durch eine seiner Ratifikationsurkunde beigefügte Erklärung einschränkt.

2. Wird eine solche Erklärung über die eingeschränkte Durchführung dieses Übereinkommens abgegeben, so

a) gelten die Bestimmungen des Übereinkommens zumindest für diejenigen Betriebe oder Wirtschaftszweige, für welche die zuständige Stelle nach Anhörung der Arbeitsaufsichtsdienste und der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände feststellt, daß sie in erheblichem Ausmaß Maschinen verwenden; die Initiative zu dieser Anhörung kann von jedem dieser Verbände ausgehen;

b) hat das Mitglied in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Jahresberichten anzugeben, inwieweit Fortschritte im Hinblick auf eine weitergehende Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens verwirklicht worden sind.

3. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz 1 dieses Artikels abgegeben hat, kann diese jederzeit durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.



Teil VI. Schlußbestimmungen

Artikel 18

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 19

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 20

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 21

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 22

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 23

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 24

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 20, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 25

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.