INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 71

Übereinkommen über die Altersrenten der Schiffsleute, 1946

Dieses Übereinkommen ist am 10. Oktober 1962 in Kraft getreten.
Ort:Seattle 
Tagung:28 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Seattle einberufen wurde und am 6. Juni 1946 zu ihrer achtundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Altersrenten der Schiffsleute, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1946, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Altersrenten der Schiffsleute, 1946, bezeichnet wird.



Artikel 1

In diesem Übereinkommen umfaßt der Ausdruck „Schiffsmann" jede Person, die an Bord oder im Dienst eines Seeschiffes beschäftigt wird, sofern dieses kein Kriegsschiff und in einem Gebiet eingetragen ist, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist.



Artikel 2

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, hat nach seiner innerstaatlichen Gesetzgebung ein System von Altersrenten für Schiffsleute, die sich vom Dienst auf See zurückziehen, einzurichten oder die Einrichtung eines solchen Systems zu gewährleisten.

2. Das System kann die dem Mitglied erforderlich scheinenden Ausnahmen vorsehen für

a) Personen, die beschäftigt sind an Bord oder im Dienst von

i) Schiffen der Behörden, wenn diese Schiffe nicht der Handelsschiffahrt dienen,

ii) Schiffen, die nicht der gewerbsmäßigen Beförderung von Fracht oder von Fahrgästen dienen,

iii) Fischereifahrzeugen,

iv) Schiffen, die der Seehundjagd dienen,

v) Schiffen mit weniger als 200 Registertonnen Bruttoraumgehalt,

vi) einfachen Holzfahrzeugen wie Dhows und Dschunken,

vii) in bezug auf die in Indien eingetragenen Schiffe während einer Zeitspanne von höchstens fünf Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der Eintragung der Ratifikation dieses Übereinkommens durch Indien, Fahrzeugen des „home trade" mit höchstens 300 Registertonnen Bruttoraumgehalt,

b) Familienangehörige des Reeders,

c) Lotsen, die nicht zur Schiffsbesatzung gehören,

d) Personen, die an Bord oder im Dienst eines Schiffes für Rechnung eines anderen Arbeitgebers als des Reeders beschäftigt sind, mit Ausnahme der Funkoffiziere und Funker und des Personals des allgemeinen Dienstes,

e) Personen, die in Häfen beschäftigt sind und in der Regel nicht auf See beschäftigt werden,

f) Personen im Dienst einer staatlichen Behörde mit Anspruch auf Leistungen, die in ihrer Gesamtheit den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Leistungen mindestens gleichkommen,

g) Personen, die für ihre Dienste kein Entgelt oder nur ein nominales Entgelt erhalten, sowie Personen, die ausschließlich im Wege der Gewinnbeteiligung entlohnt werden,

h) Personen, die ausschließlich für eigene Rechnung arbeiten,

i) Personen, die an Bord oder im Dienst von Schiffen zur Walfischjagd, von schwimmenden Fabriken oder Transportschiffen oder in anderer Weise bei der Walfischjagd oder zu ähnlichen Zwecken unter Bedingungen beschäftigt sind, die durch einen von einem Berufsverband beteiligter Schiffsleute abgeschlossenen besonderen Walfischfangs- oder entsprechenden Gesamtarbeitsvertrag mit Bestimmungen über Heuersätze, Arbeitszeit und sonstige Heuerbedingungen geregelt sind,

j) Personen, deren Wohnsitz sich nicht im Gebiet des Mitgliedes befindet,

k) Personen, die nicht Staatsangehörige des Mitgliedes sind.



Artikel 3

1. Das System hat einer der nachstehenden Bedingungen zu entsprechen:

a) Die durch das System vorgesehenen Altersrenten sind

i) allen Schiffsleuten nach Erfüllung einer vorgeschriebenen Seedienstzeit bei Erreichung des fünfundfünfzigsten oder sechzigsten Lebensjahres, je nach der in dem System getroffenen Regelung, zu gewähren,

ii) einschließlich jeder andern dem Rentner gleichzeitig zustehenden Sozialsicherheitsrente, falls das System als Rentenanfallsalter das fünfundfünfzigste Lebensjahr vorsieht, nicht unter dem Betrag anzusetzen, welcher der Zahl der Seedienstjahre vervielfältigt mit 1,5 vom Hundert der Heuer des Berechtigten entspricht, wobei als Heuer die Summe maßgebend ist, die in jedem dieser Jahre die Grundlage der für seine Rechnung entrichteten Beiträge gebildet hat, und, falls das System als Anfallsalter das sechzigste Lebensjahr vorsieht, 2 vom Hundert der Heuer zugrunde zu legen sind.

b) Das System hat Renten vorzusehen, deren Kostendeckung ein Prämieneinkommen aus allen Quellen von mindestens 10 vom Hundert der Gesamtheuer erfordert, welche die Grundlage für die nach dem System zahlbaren Beiträge bildet. Damit ist auch der Aufwand zu decken für jede andere dem Rentner gleichzeitig zustehende Sozialsicherheitsrente und für jede Sozialsicherheitsleistung an Personen, die nach der innerstaatlichen Gesetzgebung Unterhaltsansprüche an ihn besaßen.

2. Zur Deckung der Kosten der nach dem System zahlbaren Renten haben die Schiffsleute insgesamt nicht mehr als die Hälfte beizutragen.



Artikel 4

1. Das System hat angemessene Bestimmungen zu enthalten, wonach die Anwartschaften ausscheidender Personen gewahrt bleiben oder ihnen eine Leistung als Gegenwert der gutgeschriebenen Beiträge gewährt wird.

2. Das System hat für die aus seiner Anwendung erwachsenden Streitigkeiten das Recht der Berufung zu gewährleisten.

3. Das System kann vorsehen, daß der Rentenanspruch bei betrügerischem Handeln des Beteiligten ganz oder teilweise versagt wird oder ruht.

4. Die Reeder und die Schiffsleute, die auf Grund des Systems zur Deckung der Kosten der Renten beitragen, sind berechtigt, durch Vertreter an dessen Verwaltung mitzuwirken.



Artikel 5

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 6

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Dieses Übereinkommen tritt sechs Monate nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem die Ratifikationen von fünf der folgenden Staaten eingetragen worden sind: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Italien, Jugoslawien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Türkei, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, wobei von diesen fünf Staaten mindestens drei eine Handelsflotte von je mindestens einer Million Bruttoregistertonnen besitzen müssen. Die Aufnahme dieser Bestimmung soll die baldige Ratifikation dieses Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten erleichtern und fördern.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied sechs Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 7

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 8

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der letzten für das Inkrafttreten des Übereinkommens notwendigen Ratifikation Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 9

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 10

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 11

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 7, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 12

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.