INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 68

Übereinkommen über Verproviantierung und Verköstigung der Besatzungen an Bord von Schiffen, 1946

Dieses Übereinkommen ist am 24. März 1957 in Kraft getreten.
Ort:Seattle 
Tagung:28 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Seattle einberufen wurde und am 6. Juni 1946 zu ihrer achtundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Verproviantierung und Verköstigung an Bord von Schiffen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 27. Juni 1946, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Verproviantierung und Verköstigung (Schiffsbesatzungen), 1946, bezeichnet wird.



Artikel 1

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, trägt die Verantwortung für die Herbeiführung eines angemessenen Standes der Verproviantierung und Verköstigung der Besatzungen seiner Seeschiffe, gleichviel ob in öffentlichem oder privatem Besitz, die der gewerbsmäßigen Beförderung von Fracht oder von Fahrgästen dienen und in einem Gebiet eingetragen sind, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist.

2. Die Schiffe oder die Schiffsgattungen, die im Sinne dieses Übereinkommens als Seeschiffe zu gelten haben, werden durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder, in deren Ermangelung, durch Gesamtarbeitsverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestimmt.



Artikel 2

Die zuständige Stelle hat die folgenden Aufgaben wahrzunehmen, es sei denn, diese Aufgaben werden auf Grund von Gesamtarbeitsverträgen angemessen erfüllt:

a) Ausarbeitung und Durchführung von Vorschriften über Nahrungsmittel und Wasservorräte und Verköstigung sowie Bau, Lage, Lüftung, Heizung, Beleuchtung, Wasserversorgung und Einrichtung der Küchen und der übrigen Räume des allgemeinen Dienstes an Bord, einschließlich Lager- und Kühlräume,

b) Überprüfung der Nahrungsmittel- und Wasservorräte sowie der Räume, der Vorkehrungen und der Einrichtung für Lagerung, Handhabung und Zubereitung von Nahrungsmitteln an Bord,

c) Ausstellung von Befähigungsausweisen an die Mitglieder des allgemeinen Dienstes, die bestimmte Fähigkeiten besitzen müssen,

d) Ermittlung von Verfahren zur Gewährleistung angemessener Verproviantierung und Verköstigung der Schiffsbesatzungen und Aufklärungs- und Propagandaarbeit darüber.



Artikel 3

1. Die zuständige Stelle hat ihre Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden der Reeder und der Schiffsleute und den staatlichen und örtlichen Behörden auszuüben, die sich mit Ernährungs- und Gesundheitsfragen befassen. Im Bedarfsfall kann sie die Dienste dieser Behörden in Anspruch nehmen.

2. Die Tätigkeit der einzelnen Behörden ist angemessen in Einklang zu bringen, um Überschneidungen oder Zweifel über die Zuständigkeit zu verhüten.



Artikel 4

Die zuständige Stelle muß über ein ständiges, sachkundiges Personal verfügen, das auch Aufsichtsbeamte umfaßt.



Artikel 5

1. Jedes Mitglied hat gesetzliche Vorschriften über Verproviantierung und Verköstigung in Kraft zu halten, die den Schutz der Gesundheit und die Gewährleistung des Wohlergehens der Besatzungen der in Artikel 1 bezeichneten Schiffe bezwecken.

2. Darin ist zu verlangen

a) eine unter Berücksichtigung der Besatzungsstärke und der Dauer und Art der Reise nach Menge, Nährwert, Güte und Abwechslung angemessene Versorgung mit Nahrungsmitteln und mit Wasser,

b) eine Einrichtung und Ausrüstung des Verpflegungs- und Aufwartedienstes an Bord jedes Schiffes, die es gestatten, den Besatzungsmitgliedern angemessene Mahlzeiten zu liefern.



Artikel 6

Die innerstaatliche Gesetzgebung hat eine durch die zuständige Stelle auszuübende Aufsicht vorzusehen über

a) die Nahrungsmittel- und Wasservorräte,

b) alle für Lagerung und Handhabung von Nahrungsmitteln und Wasser bestimmten Räume und Einrichtungen,

c) die Küche und die anderen Einrichtungen für Zubereitung und Verabreichung von Mahlzeiten, d) die berufliche Befähigung der Mitglieder des Verpflegungs- und Aufwartedienstes, die nach der Gesetzgebung bestimmte Befähigungen besitzen müssen.



Artikel 7

1. Die innerstaatliche Gesetzgebung oder, in deren Ermangelung, Gesamtarbeitsverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben vorzusehen, daß der Kapitän oder ein von ihm hierfür ausdrücklich bestimmter Offizier, begleitet von einem verantwortlichen Mitglied des Verpflegungs- und Aufwartedienstes, auf See in festgesetzten Zeitabständen zu überprüfen hat

a) die Nahrungsmittel- und Wasservorräte,

b) alle der Lagerung und der Handhabung von Nahrungsmitteln und Wasser dienenden Räume und Einrichtungen sowie die Küche und andere Einrichtungen für Zubereitung und Verabreichung von Mahlzeiten.

2. Die Ergebnisse jeder Überprüfung sind schriftlich niederzulegen.



Artikel 8

Die Vertreter der zuständigen Stelle des Eintragungsgebietes des Schiffes haben eine besondere Überprüfung auf Grund jeder Beschwerde vorzunehmen, die von einer gesetzlich festgesetzten Zahl von Besatzungsmitgliedern oder einem gesetzlich festgesetzten Teile der Besatzung oder im Namen eines anerkannten Berufsverbandes von Reedern oder von Schiffsleuten schriftlich eingebracht worden ist. Solche Beschwerden sollten, um die Ausfahrt des Schiffes nicht zu verzögern, möglichst rasch und mindestens vierundzwanzig Stunden vor der für das Auslaufen festgesetzten Stunde eingereicht werden.



Artikel 9

1. Die Aufsichtsbeamten sind befugt, dem Reeder oder Kapitän oder jeder anderen verantwortlichen Person Maßnahmen zur Verbesserung des Verpflegungs- und Aufwartedienstes zu empfehlen.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung hat Zwangsmaßnahmen vorzuschreiben gegen

a) Nichteinhaltung der geltenden gesetzlichen Vorschriften durch den Reeder, den Kapitän, ein Besatzungsmitglied oder jede sonstige verantwortliche Person,

b) jeden Versuch, einen Aufsichtsbeamten an der Erfüllung seiner Aufgaben zu hindern.

3. Die Aufsichtsbeamten legen der zuständigen Stelle regelmäßige, nach einheitlichen Richtlinien abgefaßte Berichte über ihre Tätigkeit und deren Ergebnisse vor.



Artikel 10

1. Die zuständige Stelle verfaßt einen Jahresbericht.

2. Der Jahresbericht ist möglichst bald nach Ende des Berichtsjahres herauszugeben und allen beteiligten Stellen und Personen zur freien Verfügung zu halten.

3. Ausfertigungen dieses Berichtes werden dem Internationalen Arbeitsamt übermittelt.



Artikel 11

1. Ausbildungskurse für den Verpflegungs- und Aufwartedienst auf Seeschiffen sind von anerkannten Lehranstalten oder auf andere von den Verbänden der Reeder und der Schiffsleute gemeinsam genehmigte Weise zu veranstalten.

2. Für bereits ausgebildete Personen sind Fortbildungskurse vorzusehen, um ihnen zu ermöglichen, mit ihren theoretischen und praktischen Kenntnissen auf dem laufenden zu bleiben.



Artikel 12

1. Die zuständige Stelle sammelt die jeweils neuesten Aufschlüsse über Verpflegung und Verfahren betreffend Einkauf, Lagerung, Erhaltung, Zubereitung und Verabreichung von Nahrungsmitteln, unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse des Verpflegungs- und Aufwartedienstes an Bord.

2. Diese Aufschlüsse sind den Herstellern und Lieferanten von Nahrungsmitteln oder Küchen- und Tischbedarf für Schiffe, den Kapitänen, Aufwärtern und Schiffsköchen und, allgemein, den Reedern und Schiffsleuten sowie ihren Verbänden kostenlos oder gegen mäßige Gebühr zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zwecke sind geeignete Mittel der Verbreitung zu verwenden, wie Handbücher, Broschüren, Anschläge, graphische Tafeln oder Anzeigen in der Fachpresse.

3. Die zuständige Stelle wird Empfehlungen zur Verhütung der Vergeudung von Nahrungsmitteln, zur Erleichterung der Aufrechterhaltung eines angemessenen Grades von Reinlichkeit und zur Gewährleistung möglichster Arbeitsbequemlichkeit ausgeben.



Artikel 13

Die zuständige Stelle kann jeder ihrer Aufgaben im Bereich der Ausstellung von Befähigungsausweisen für das Verpflegungs- und Aufwartepersonal sowie der Sammlung und Verteilung von Aufschlüssen dadurch nachkommen, daß sie diese Tätigkeit ganz oder teilweise einer Zentralorganisation oder Zentralbehörde überträgt, die entsprechende Aufgaben für die Schiffsleute im allgemeinen wahrnimmt.



Artikel 14

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 15

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Dieses Übereinkommen tritt sechs Monate nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem die Ratifikationen von neun der folgenden Staaten eingetragen worden sind: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Italien, Jugoslawien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Türkei, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, wobei von diesen neun Staaten mindestens fünf eine Handelsflotte von je mindestens einer Million Bruttoregistertonnen besitzen müssen. Die Aufnahme dieser Bestimmung soll die baldige Ratifikation dieses Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten erleichtern und fördern.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied sechs Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 16

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 17

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der letzten für das Inkrafttreten des Übereinkommens notwendigen Ratifikation Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 18

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 19

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 20

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 16, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 21

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.