INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 59

Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1937), 1937

Dieses Übereinkommen ist am 21. Februar 1941 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:23 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer ersten Tagung angenommenen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, das folgende Übereinkommen an, das als Abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (Gewerbe), 1937, bezeichnet wird.



Teil I. Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

1. Als „gewerbliche Betriebe" im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere

a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen,

b) Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt oder verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschließlich des Schiffsbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität und sonstiger motorischer Kraft irgendwelcher Art,

c) der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Straßenbahnen, Häfen, Docks, Hafendämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Straßen, Tunneln, Brücken, Straßenüberführungen, Abwasserkanälen, Brunnenschächten, Telegraphen- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas- und Wasserwerken und andere Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Fundierungsarbeiten,

d) die Beförderung von Personen oder Gütern auf Straßen, Eisenbahnen oder Binnengewässern, einschließlich des Verkehrs mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften und in Lagerhäusern, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung.

2. In jedem Staate bestimmt die zuständige Stelle die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft andererseits.



Artikel 2

1. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben weder beschäftigt werden noch arbeiten.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann jedoch die Beschäftigung solcher Kinder in Betrieben zulassen, in denen lediglich Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden, mit Ausnahme von Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind.



Artikel 3

Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden keine Anwendung auf die Arbeit der Kinder in Berufsschulen, sofern diese Arbeit behördlich zugelassen und überwacht wird.



Artikel 4

Zur zuverlässigen Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens werden die Inhaber gewerblicher Betriebe verpflichtet, ein Verzeichnis aller von ihnen beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren zu führen, unter Angabe des Geburtsdatums.



Artikel 5

1. Für Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind, hat die innerstaatliche Gesetzgebung entweder

a) eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen als fünfzehn Jahre für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen festzusetzen oder

b) eine geeignete Behörde zu ermächtigen, eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen als fünfzehn Jahre für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen festzusetzen.

2. Die Berichte, die jährlich nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen sind, müssen, je nach dem Falle, genaue Angaben über die höhere Altersgrenze oder die höheren Altersgrenzen enthalten, die nach Absatz 1 a) dieses Artikels gesetzlich bestimmt sind, oder über die Maßnahmen, die von der betreffenden Behörde auf Grund der Ermächtigung nach Absatz 1 b) ergriffen worden sind.



Teil II. Sonderbestimmungen für verschiedene Staaten

Artikel 6

1. Für Japan gelten an Stelle der Bestimmungen der Artikel 2 und 5 die nachstehenden Bestimmungen.

2. Kinder unter vierzehn Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben weder beschäftigt werden noch arbeiten. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann jedoch die Beschäftigung solcher Kinder in Betrieben zulassen, in denen lediglich Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden.

3. Kinder unter sechzehn Jahren dürfen in Bergwerken oder in Fabriken bei Arbeiten, die von der innerstaatlichen Gesetzgebung als gefährlich oder als ungesund bezeichnet worden sind, weder beschäftigt werden noch arbeiten.



Artikel 7

1. Für Indien finden die Bestimmungen der Artikel 2, 4 und 5 keine Anwendung. Statt dessen gelten die folgenden Bestimmungen für alle Gebiete Indiens, in denen die „Indian Legislature" zu ihrer Durchführung zuständig ist.

2. Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken mit motorischer Triebkraft, die mehr als zehn Personen beschäftigen, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

3. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen bei der Beförderung von Personen, Gütern oder Postsendungen auf Eisenbahnen oder beim Verkehr mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen und Werften, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

4. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen weder beschäftigt werden noch arbeiten

a) in Bergwerken, Steinbrüchen und anderen Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen,

b) bei Arbeiten, auf die dieser Artikel Anwendung findet und die von der zuständigen Stelle als gefährlich oder ungesund bezeichnet worden sind.

5. Außer wenn sie durch ein ärztliches Zeugnis als geeignet für die betreffende Arbeit erklärt worden sind, dürfen

a) Personen, die das zwölfte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, in Fabriken mit motorischer Triebkraft, die mehr als zehn Personen beschäftigen, nicht arbeiten,

b) Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, nicht in Bergwerken arbeiten.



Artikel 8

1. Für China gelten an Stelle der Bestimmungen der Artikel 2, 4 und 5 die nachstehenden Bestimmungen.

2. Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken, die Maschinen mit motorischem Antrieb verwenden und gewöhnlich dreißig oder mehr Personen beschäftigen, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

3. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen weder beschäftigt werden noch arbeiten



a) in Bergwerken, die in der Regel fünfzig oder mehr Personen beschäftigen,

b) in Fabriken, die Maschinen mit motorischem Antrieb verwenden und gewöhnlich dreißig oder mehr Personen beschäftigen, bei Arbeiten, die von der innerstaatlichen Gesetzgebung als gefährlich oder ungesund bezeichnet worden sind.

4. Der Leiter eines jeden gewerblichen Betriebes, für den dieser Artikel gilt, hat ein Verzeichnis aller von ihm beschäftigten Personen unter sechzehn Jahren zu führen und alle von der zuständigen Stelle verlangten Belege zum Nachweis ihres Alters bereitzuhalten.



Artikel 9

1. Die Internationale Arbeitsorganisation kann auf jeder Tagung, zu deren Tagesordnung die Frage gehört, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu den in Teil II dieses Übereinkommens enthaltenen Artikeln oder zu einzelnen von ihnen annehmen.

2. Ein solcher Abänderungsentwurf hat das Mitglied oder die Mitglieder zu bezeichnen, für die er gilt, und ist spätestens ein Jahr oder, wo außergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach dem Schluß der Tagung der Konferenz von dem Mitglied oder den Mitgliedern, für die er gilt, der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Maßnahmen zu unterbreiten.

3. Das Mitglied, das die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen erlangt hat, teilt seine förmliche Ratifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

4. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von dem Mitglied oder den Mitgliedern, für die er gilt, ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.



Teil III. Schlußbestimmungen

Artikel 10

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 11

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 12

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.



Artikel 13

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 14

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 15

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 13, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 16

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.