INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 56

Übereinkommen über die Krankenversicherung der Schiffsleute, 1936

Dieses Übereinkommen ist am 9. Dezember 1949 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:21 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Krankenversicherung der Schiffsleute, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Krankenversicherung der Schiffsleute, 1936, bezeichnet wird.



Artikel 1

1. Versicherungspflichtig sind alle Personen, die an Bord eines der Seeschiffahrt oder der Seefischerei dienenden Schiffes als Schiffsführer oder als Mitglied der Besatzung oder in anderer Weise im Dienste des Schiffes beschäftigt sind, sofern dieses in einem Gebiet, für das dieses Übereinkommen gilt, eingetragen und kein Kriegsschiff ist.

2. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann jedoch in seiner innerstaatlichen Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für

a) Personen, die an Bord von Schiffen der Behörden beschäftigt sind, wenn diese Schiffe nicht der Handelsschiffahrt dienen,

b) Personen, deren Heuer oder Einkommen eine bestimmte Grenze überschreitet,

c) Personen, die keine Barheuer erhalten,

d) Personen, die ihren Wohnsitz nicht im Gebiet des Mitgliedes haben,

e) Personen, deren Alter unter oder über einer bestimmten Grenze liegt,

f) Familienangehörige des Arbeitgebers,

g) Lotsen.



Artikel 2

1. Der krankheitshalber arbeitsunfähige und seiner Heuer verlustig gegangene Versicherte hat Anspruch auf Krankengeld während mindestens der ersten sechsundzwanzig Wochen oder der ersten einhundertachtzig Tage der Arbeitsunfähigkeit, gerechnet vom ersten Unterstützungstag an.

2. Der Anspruch auf Krankengeld kann durch eine Mindestdauer der Mitgliedschaft sowie durch eine Wartefrist von einigen Tagen, vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet, bedingt werden.

3. Das nach diesem Übereinkommen zu gewährende Krankengeld darf keineswegs geringer sein als das Krankengeld, das in der etwa bestehenden, aber auf Schiffsleute nicht anwendbaren allgemeinen Pflichtversicherung gegen Krankheit festgesetzt ist.

4. Der Anspruch auf Krankengeld kann ruhen,

a) solange der Versicherte sich an Bord oder im Ausland befindet,

b) solange der Versicherte auf Kosten der Versicherung oder aus öffentlichen Mitteln verpflegt wird, wobei das Krankengeld jedoch nur teilweise ruht, wenn der Versicherte für den Unterhalt von Familienangehörigen zu sorgen hat,

c) solange der Versicherte wegen der gleichen Krankheit aus anderer Quelle von Gesetzes wegen eine andere Entschädigung erhält, in welchem Falle das Krankengeld ganz oder teilweise ruht, je nachdem ob jene Leistung das Ausmaß des nach der Krankenversicherung zu gewährenden Krankengeldes erreicht oder nicht.

5. Das Krankengeld kann im Fall einer vom Versicherten absichtlich herbeigeführten Krankheit ganz oder teilweise versagt werden.



Artikel 3

1. Der Versicherte hat vom Beginn der Krankheit an und mindestens bis zum Ablauf der Frist, die für den Bezug von Krankengeld festgesetzt ist, Anspruch auf unentgeltliche Behandlung durch einen approbierten Arzt sowie auf Versorgung mit Arznei und Heilmitteln in ausreichender Beschaffenheit und Menge.

2. Doch kann dem Versicherten eine Beteiligung an den Kosten der Krankenpflege zu den von der innerstaatlichen Gesetzgebung festgesetzten Bedingungen auferlegt werden.

3. Der Anspruch auf Krankenpflege kann ruhen, solange sich der Versicherte an Bord oder im Ausland befindet.

4. Der Versicherungsträger kann, wenn die Umstände es erfordern, den Kranken in einer Krankenanstalt unterbringen; in diesem Falle hat er ihm außer Arzthilfe und der erforderlichen Pflege vollen Unterhalt zu gewähren.



Artikel 4

1. Befindet sich der Versicherte im Ausland und hat er infolge von Krankheit seinen Anspruch auf die Heuer, ohne Rücksicht darauf, ob sie vorher ganz oder zum Teil zu zahlen war, verloren, so ist das Krankengeld, auf das er Anrecht hätte, wenn er nicht im Ausland gewesen wäre, bis zu seiner Rückkehr in das Gebiet des Mitgliedes ganz oder teilweise seiner Familie auszuzahlen.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann die Gewährung folgender Leistungen vorschreiben oder zulassen:

a) Zuschüsse zu dem in Artikel 2 vorgesehenen Krankengeld, wenn der Versicherte für den Unterhalt von Familienangehörigen zu sorgen hat,

b) Sach- oder Barleistungen bei Erkrankungen von Familienangehörigen des Versicherten, die in seinem Haushalt leben und von ihm unterhalten werden.



Artikel 5

1. Die innerstaatliche Gesetzgebung hat die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen eine Versicherte, die sich im Gebiet des Mitgliedes befindet, Anspruch auf Leistungen der Wochenhilfe besitzt.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann die Voraussetzungen bestimmen, unter denen die Ehefrau des Versicherten, solange sie sich im Gebiet des Mitgliedes befindet, Leistungen der Wochenhilfe erhält.



Artikel 6

1. Beim Tode des Versicherten ist seinen Familienangehörigen ein Sterbegeld in gesetzlich zu bestimmender Höhe auszuzahlen oder zur Deckung der Bestattungskosten zu verwenden.

2. Wenn eine Rentenversicherung zugunsten der Hinterbliebenen verstorbener Schiffsleute besteht, ist die Gewährung des im vorstehenden Absatz vorgesehenen Sterbegeldes keine Pflichtleistung.



Artikel 7

Die Leistungen der Versicherung sind auch bei Krankheiten zu gewähren, die noch während einer bestimmten Frist nach Beendigung des letzten Heuerverhältnisses eintreten. Diese Frist ist von der innerstaatlichen Gesetzgebung so festzusetzen, daß sie die Zeitspanne deckt, die gewöhnlich zwischen aufeinanderfolgenden Anheuerungen liegt.



Artikel 8

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann einen Zuschuß aus öffentlichen Mitteln vorsehen.



Artikel 9

1. Die Krankenversicherung wird durch Versicherungsträger durchgeführt, die Selbstverwaltungsrecht haben, in ihrer Geschäftsführung und in der Verwaltung ihrer Mittel unter Staatsaufsicht stehen und nicht auf Gewinn abzielen.

2. Die Versicherten -- und bei Versicherungsträgern, die auf Grund des Gesetzes besonders zugunsten der Schiffsleute errichtet worden sind, die Arbeitgeber -- haben nach Maßgabe der innerstaatlichen Gesetzgebung, die auch die Hinzuziehung anderer Beteiligter vorsehen kann, an der Verwaltung der Versicherungsträger mitzuwirken.

3. Die Versicherung kann jedoch vom Staat selbst durchgeführt werden, wenn und solange die Selbstverwaltung infolge besonderer Verhältnisse erschwert oder unmöglich ist.



Artikel 10

1. Bei Streitigkeiten über Leistungsansprüche steht dem Versicherten ein Rechtsmittel zu.

2. Die Streitigkeiten sind einem raschen und für den Versicherten wenig kostspieligen Verfahren entweder durch Verweisung an besondere Spruchstellen oder auf eine andere, nach der innerstaatlichen Gesetzgebung für zweckmäßig erachtete Weise zu unterwerfen.



Artikel 11

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Reedern und Schiffsleuten günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.



Artikel 12

1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Ratifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt,

a) in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet,

b) in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen,

c) in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann, und in diesem Falle die Gründe dafür,

d) für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz 1 a) und b) dieses Artikels gelten als Bestandteil der Ratifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz 1 b), c) oder d) dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.



Artikel 13

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 14

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 15

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.



Artikel 16

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 17

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 18

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 16, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 19

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.