INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 13

Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich, 1921

Dieses Übereinkommen ist am 31. August 1923 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:3 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend das Verbot der Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Bleiweiß (Anstrich), 1921, bezeichnet wird, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation:



Artikel 1

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, vorbehaltlich der in Artikel 2 vorgesehenen Ausnahmen, die Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses, das diese Farbstoffe enthält, zum Innenanstrich von Gebäuden zu verbieten. Ausgenommen sind Bahnhöfe und gewerbliche Anlagen, wenn die zuständigen Stellen nach Anhörung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erklärt haben, daß dazu die Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses nötig ist, das diese Stoffe enthält.

2. Jedoch ist die Verwendung von weißen Farben zulässig, die höchstens 2 Prozent Blei, auf metallisches Blei berechnet, enthalten.



Artikel 2

1. Die Bestimmungen des Artikels 1 gelten nicht für die Kunst- und Dekorationsmalerei noch für das Linienziehen mit oder ohne Latte.

2. Jede Regierung bestimmt die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten der Malerarbeiten und regelt die Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat und allen Erzeugnissen, welche diese Farbstoffe enthalten, bei Ausführung der in Absatz 1 bezeichneten Arbeiten in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Artikel 5, 6 und 7 dieses Übereinkommens.



Artikel 3

1. Jugendliche unter achtzehn Jahren und Frauen dürfen nicht mit gewerblichen Malerarbeiten beschäftigt werden, bei denen Bleiweiß, Bleisulfat oder andere Erzeugnisse, welche diese Farbstoffe enthalten, verwendet werden.

2. Die zuständigen Stellen können nach Anhörung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Beschäftigung von Anstreicherlehrlingen bei den in Absatz 1 verbotenen Arbeiten zum Zweck ihrer beruflichen Ausbildung zulassen.



Artikel 4

Die in Artikel 1 und 3 vorgesehenen Verbote treten sechs Jahre nach Schluß der dritten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Kraft.



Artikel 5

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat und von allen Erzeugnissen, welche diese Farbstoffe enthalten, soweit ihre Verwendung nicht verboten ist, nach folgenden Grundsätzen zu regeln:

I. a) Bleiweiß, Bleisulfat oder Erzeugnisse, welche diese Farbstoffe enthalten, dürfen für Anstreicharbeiten nur in Pastenform oder als gebrauchsfertige Farben verwendet werden;

b) es sind Maßnahmen zu treffen, um die Gefahren beim Auftragen von Farbe im Spritzverfahren zu verhüten;

c) soweit irgend möglich, sind Maßnahmen zu treffen, um die Gefahren zu verhüten, die aus der Staubentwicklung beim Abschaben oder Abkratzen entstehen.

II. a) Es sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit die Anstreicher sich während und nach Schluß der Arbeit waschen können;

b) die Anstreicher müssen während der ganzen Dauer ihrer Arbeit Arbeitskleider tragen;

c) durch geeignete Vorkehrungen ist dafür zu sorgen, daß die während der Arbeit abgelegte Kleidung des Anstreichers nicht durch das bei der Malerei verwendete Material verunreinigt wird.

III. a) Alle Fälle vorliegender und mutmaßlicher Bleivergiftung sind anzuzeigen und von einem durch die zuständige Stelle bestimmten Arzt nachzuprüfen;

b) die zuständige Stelle kann, wenn sie es für erforderlich hält, eine ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmer verlangen.

IV. Den Anstreichern sind Merkblätter über die im Malergewerbe zu beachtenden besonderen hygienischen Vorsichtsmaßregeln auszuhändigen.



Artikel 6

Um die Beachtung der in den voranstehenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu sichern, haben die zuständigen Stellen nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer alle ihnen erforderlich erscheinenden Maßnahmen zu treffen.



Artikel 7

Die Fälle von Bleivergiftungen unter den Malern sind statistisch zu erfassen, und zwar

a) die Erkrankungsfälle auf Grund von Anzeige und Nachprüfung aller Fälle von Bleivergiftung,



b) die Todesfälle nach einem vom amtlichen statistischen Dienst eines jeden Staates genehmigten Verfahren.



Artikel 8

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 9

1. Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

2. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen ist.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.



Artikel 10

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.



Artikel 11

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Bestimmungen der Artikel 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 spätestens am 1. Januar 1924 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Maßnahmen zu treffen.



Artikel 12

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten nach den Bestimmungen des Artikels 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation anzuwenden.



Artikel 13

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.



Artikel 14

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 15

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.