INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 5

Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, 1919

Dieses Übereinkommen ist am 13. Juni 1921 in Kraft getreten. Es ist im Jahre 1937 durch das Übereinkommen 59 abgeändert worden.
Ort:Washington
Tagung:1
Tabelle der Ratifizierungen

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen wurde,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Beschäftigung der Kinder und Jugendlichen: Altersgrenze für die Zulassung zur Arbeit, eine Frage, die zum vierten Gegenstand der Tagesordnung der Konferenz von Washington gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über das Mindestalter in gewerblichen Betrieben, 1919, bezeichnet wird, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation:



Artikel 1

1. Als „gewerbliche Betriebe" im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere

a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen,

b) Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt oder verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschließlich des Schiffsbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität und sonstiger motorischer Kraft irgendwelcher Art,

c) der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Straßenbahnen, Häfen, Docks, Hafendämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Straßen, Tunneln, Brücken, Straßenüberführungen, Abwasserkanälen, Brunnenschächten, Telegraphen- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas- und Wasserwerken und andere Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Fundierungsarbeiten,

d) die Beförderung von Personen oder Gütern auf Straßen, Eisenbahnen oder Binnengewässern, einschließlich des Verkehrs mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften und in Lagerhäusern, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung.

2. In jedem Staat bestimmt die zuständige Stelle die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft andererseits.



Artikel 2

Kinder unter vierzehn Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben weder beschäftigt werden noch arbeiten. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.



Artikel 3

Die Bestimmungen des Artikels 2 finden keine Anwendung auf die Arbeit der Kinder in Fachschulen, sofern diese Arbeit behördlich zugelassen und überwacht wird.



Artikel 4

Zur zuverlässigen Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens werden die Inhaber gewerblicher Betriebe verpflichtet, ein Verzeichnis aller von ihnen beschäftigten Personen unter sechzehn Jahren zu führen, unter Angabe des Geburtsdatums.



Artikel 5

1. Bei Anwendung dieses Übereinkommens auf Japan sind folgende Abänderungen des Artikels 2 gestattet:



a) Kinder über zwölf Jahre können zur Arbeit zugelassen werden, wenn sie den Volksschulunterricht beendet haben;



b) für Kinder von zwölf bis vierzehn Jahren, die bereits beschäftigt werden, können Übergangsbestimmungen getroffen werden.

2. Die Bestimmung des bestehenden japanischen Gesetzes, welche Kinder unter zwölf Jahren zu gewissen leichten Arbeiten zuläßt, soll aufgehoben werden.



Artikel 6

Die Bestimmungen des Artikels 2 finden keine Anwendung auf Indien. Doch dürfen in Indien Kinder unter zwölf Jahren nicht beschäftigt werden

a) in Fabriken mit motorischem Betrieb, die mehr als zehn Personen beschäftigen,

b) in Bergwerken, Steinbrüchen und anderen Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen,

c) bei der Beförderung von Personen, Gütern oder Postsendungen auf Eisenbahnen und beim Verkehr mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen und Werften, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung.



Artikel 7

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 8

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es für diejenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, in Kraft zu setzen, jedoch unter den folgenden Vorbehalten:

a) Die Anwendbarkeit des Übereinkommens darf nicht durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein;

b) die für die Anpassung des Übereinkommens an die örtlichen Verhältnisse erforderlichen Abänderungen dürfen ihm eingefügt werden.

2. Jedes Mitglied hat dem Internationalen Arbeitsamt sein Vorgehen hinsichtlich seiner einzelnen Kolonien, Besitzungen und Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, mitzuteilen.



Artikel 9

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit.



Artikel 10

Dieses Übereinkommen tritt mit dem Tag in Kraft, an dem diese Mitteilung durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes stattgefunden hat. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt haben eintragen lassen. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.



Artikel 11

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, seine Bestimmungen spätestens am 1. Juli 1922 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Maßnahmen zu treffen.



Artikel 12

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.



Artikel 13

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 14

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.